PARIS (dpa-AFX) - Der rätselhafte Absturz eines Airbusses über dem
Atlantik mit 228 Menschen an Bord hat eklatante Schwächen in der
Flugsicherheit aufgedeckt. Ein halbes Jahr nach dem Unglück fordern die
französischen Ermittler am Donnerstag als Konsequenz neue
Zulassungskriterien für Langstreckenjets, bessere Flugdaten-Sicherung
und Studien zur Wolkenbildung in großer Flughöhe. Um den Absturz doch
noch aufzuklären, soll im Februar 2010 die Suche nach dem Wrack des
A330 im Mittelatlantik wieder aufgenommen werden. Das teilte das
französische Amt für Unfallanalyse BEA in einem Zwischenbericht mit.

    Die Internationale Organisation für Zivilluftfahrt (ICAO) setzt die
Frage der Flugschreiber und der Regionen ohne Flugüberwachung auf
die Tagesordnung ihrer Weltkonferenz im März 2010, erklärte der
französische Verkehrs-Staatssekretär Dominique Bussereau. Er forderte
zugleich die schnelle Ablösung der traditionellen Flugschreiber sowie
eine Flugdaten-Übermittlung per Satellit.

TEMPOMESSER IM FOKUS

    Der Airbus war auf dem Nachtflug von Rio nach Paris in einem
Unwetter abgestürzt. Automatische Wartungsmeldungen zeigen, dass zuvor
der
Autopilot, der Geschwindigkeitsregler und andere Systeme ausgefallen
waren. "Praktisch alle Meldungen hängen mit den Fehlern der
Geschwindigkeitsmessung zusammen", erklärt das BEA. Die Ermittler
nehmen daher die Pitot-Tempomesser in den Fokus. Sie betonen jedoch, es
sei "immer noch nicht möglich, die Ursachen und Umstände des Unglücks
zu verstehen". Der Ausfall der Pitot-Sonden sei "eines der Elemente
einer Reihe von Ereignissen", die zum Unglück geführt hätten. Es
könne den Absturz "jedoch alleine nicht erklären"

    Zur Klärung des Unglücks müssten die Flugschreiber ausgewertet
oder zumindest das Wrack untersucht werden, meint das BEA. Doch beide
ruhen auf dem zerklüfteten Meeresgrund. Deshalb soll eine neue Suche
beginnen. Es war schwer, das Gebiet abzugrenzen, weil das Flugzeug
wegen Pannen bei der Kommunikation der Flugüberwachung Brasiliens und
Senegals sieben Stunden lang nicht vermisst wurde. "Insgesamt wurden
über 1000 Wrackteile und die Leichen von 50 Personen gefunden",
schreibt das BEA in seinem Zwischenbericht.

HEFTIGER AUFSCHLAG

    "Die Untersuchung der Trümmerteile zeigt, dass das Flugzeug heftig
auf die Wasseroberfläche aufgeschlagen ist, mit einer leicht nach
vorne hochgezogenen Lage und ohne Neigung." Der Jet war dabei noch
intakt. Um Licht in den rätselhaften Absturz zu bringen, untersuchte
das
BEA 13 andere Vorfälle bei fünf Fluggesellschaften, bei denen die
Pitot-Sonden einer A330/A340 versagt hatten. Jedes Mal flog die Maschine
durch instabile Luftmassen und der Autopilot fiel aus.

    Doch in allen Fällen funktionierten die Pitot-Sonden spätestens
nach drei Minuten und 20 Sekunden wieder. Die Maschinen blieben stets in
ihrem Fluggebiet. "Die Höhenschwankungen ohne Steuerung blieben in
einem Intervall von mehr oder weniger tausend Fuß" (300 Meter), hieß
es.
Der Pitot-Ausfall wurde meist nicht als schwerwiegend bewertet.

EISKRISTALLE ALS STÖRFAKTOR

    Airbus, Air France und die Aufsichtsbehörden haben zwar auf die
Pitot-Probleme reagiert und bestimmte Modelle praktisch aus dem Verkehr
gezogen. Dem BEA reicht das aber nicht. Alle zertifizierten Sondentypen
waren besser als eigentlich von Amts wegen gefordert. Das BEA stellt
daher die Zulassung infrage. Die Tests "scheinen den Flügen in großer
Höhe nicht angemessen zu sein", heißt es. Die "Kriterien der
Zertifizierung" müssten geändert werden. "Die Größe der Eiskristalle
in Wolkenmassen" könne die Sonden stören, sei aber "nicht ausreichend
bekannt". Deshalb müsse die Zusammensetzung der Wolken in großer Höhe
genauer erforscht werden.

    Als zweite Konsequenz aus dem Absturz fordert das BEA eine bessere
Flugdatensicherung. Die Flugschreiber müssten 90 statt 30 Tage lang
Ortungssignale senden. Die Flugzeuge müssten zusätzliche Sender für
ihre Ortung erhalten. Außerdem sollte geprüft werden, Basisdaten wie
Flughöhe, Position und Geschwindigkeit automatisch regelmäßig über
Satellit zu übermitteln. Airbus arbeitet an einem solchen
Projekt./hn/DP/stw